Studie Brückenhaus
Diese Studie sieht die Nutzung stillgelegter Stahlfachwerkbrücken für den Bau außergewöhnlicher Wohn- und Büroflächen vor. Zu den Vorteilen dieser Wiederverwendung alter Brücken gehören neben der ökologischen Verträglichkeit dieser Bautechnik der hohe Erlebniswert für die Nutzer, die fast unbegrenzte Variabilität des Innenraums sowie die Reduktion der Erstellungskosten.
Novität
Nur zwei Brücken dienen in Europa als Wohnbrücken. Eine dieser beiden Brücken ist die Ponte Vecchio in Florenz. Evolutionärer Ursprung für die Nutzung als Wohnfläche war das Bestreben kleiner Händler, ihre Geschäfts- und Wohnräume direkt am Verkehrsknotenpunkt Brücke zu errichten. Das Brückenhaus nutzt stillgelegte Verkehrswege, vornehmlich ursprünglich für den Eisenbahnverkehr errichtete Stahlfachwerkbrücken, als Grundgerüst für Wohn- und Geschäftsräume. Dabei werden die Vorteile des modernen Industriebaus und des Stahlfachwerks mit der Wiederverwendung brach liegender Bausubstanz sinnvoll kombiniert.
Erlebniswert
Durch die oft unverbaubare und dem Wasser zugewandte Lage einer Vielzahl von stillgelegten Eisenbahnbrücken wird den Bewohnern des Brückenhauses ein erlebnisreiches multisensorisches Wohnen ermöglicht. Durch das Element Wasser und die angrenzende Uferflora werden jahreszeitliche Veränderungen auf eine besondere Art erlebbar. Der Wechsel von Sonne und Schatten, Ruhe und Bewegung werden in dieser ungewöhnlichen Immobilie kontinuierlich wahrnehmbar. Der Mensch wird in ein natürliches Umfeld integriert, sein Bewusstsein für die Schöpfung sensibilisiert. Leben nicht nur in der, sondern mit der Natur.
Umsetzbarkeit
Stillgelegte Stahlfachwerkbrücken wurden vornehmlich für den Eisenbahnverkehr konstruiert und sind für hohe Nutzlasten ausgelegt. Viele dampfbetriebene Lokomotiven mit Schlepptender wiesen ein Betriebsgewicht von weit über 100 Tonnen auf. Die statischen Anforderungen für die Nutzung einer Brücke als Wohn- und Geschäftshaus sind damit voll erfüllt. Flussüberspannende Brücken werden neben ihrer Funktion als Verkehrsweg häufig auch als Brücke für Wasser-, Gas- und Stromleitungen genutzt. Diese Leitungen stehen zur Einrichtung von Medienübergabepunkten direkt unter den Nutzräumen im Brückenboden zur Verfügung. Einzig die Abwasserleitungen müssen unterdükert, das heißt von einem Ufer zum anderen unter dem Flussbett verlegt werden. Infrastrukturelle Anbindungen an das Straßennetz sind selbst bei weit entlegenen Eisenbahnbrücken in Form von Wartungswegen oder -straßen parallel zum ehemaligen Gleiskörper in den meisten Fällen vorhanden. Sowohl was die Versorgung mit Wasser, Gas und Strom als auch die verkehrtechnische Anbindung anbetrifft, sind stillgelegte Eisenbahnbrücken in der Regel gut erschlossen.
Wand-, Decken- und Glaselemente für die Umwandlung einer alten Stahlfachwerkbrücke in ein ansprechendes Wohn- oder Gewerbe-Ambiente können ähnlich wie bei der Erstellung moderner Stahlfachwerke im Industriebau passgenau vorgefertigt und an die vorbereiteten Brücken montiert werden.
Funktionalität
Das Brückenhaus verfügt durch das Stahlfachwerk über einen stabilen dreidimensionalen Rahmen und bietet so eine größtmögliche Flexibilität bei der Aufteilung, Gestaltung und Einrichtung der Innenräume. Nachträgliche Veränderungen auch in großem Ausmaß können problemlos und unter minimaler Schmutzentwicklung durchgeführt werden. Schließlich ist der gesamte Innenraum in Trockenbauweise erstellt und trägerfrei. So lässt sich die Raumaufteilung und sogar die Größe des umbauten Innenraumes den sich ändernden Bedürfnissen der Nutzer anpassen.
Ökologie
Durch die Verwendung einer stillgelegten Brücke als Grundrahmen für eine Immobilie werden unter viel Energieeinsatz erstellte, künstliche Strukturen einer neuen Nutzung zugeführt. Dadurch wird für den Bau des Brückenhauses weitaus weniger Energie benötigt als für den Bau eines komplett neuen Bauwerks in tradierter Bautechnik. Diese positive Energiebilanz wird noch zusätzlich gesteigert, wenn man die eingesparte Energie für die Demontage der Brücke und das Recycling der Stahlträger mit berücksichtigt. Die Anbindung des Brückenhauses an das Wasser-, Gas- und Stromnetz kann ebenfalls leicht und unter minimalem energetischem Aufwand erfolgen, die die Leitungen in der Regel ohnehin im Brückenboden vorliegen.
Ökonomie
Der geringe Energieaufwand für den Umbau einer Brücke spiegelt sich in geringeren Baukosten wider. Darüber hinaus ist für den Erwerb einer stillgelegten Stahlfachwerkbrücke als Basis für das Brückenhaus vom Bauherrn oft nur ein symbolischer Preis oder der Schrottwert der Stahlträger zu entrichten. Das Brückenhaus ist neben dem Hausboot die einzige Wohnform, die entweder kein oder nur ein äußerst kleines Grundstück benötigt. In der Regel beträgt die von den Brückenlagern am Ufer benötigte Fläche zwischen zehn und zwanzig Quadratmetern.
Daten
Das abgebildete Modellbeispiel nutzt eine Stahlfachwerk-Bogenbrücke von 39,58 m Länge und 6,35 m Breite. Die Scheitelhöhe des Bogens beträgt 10 m. Ursprünglich für den eingleisigen Bahnverkehr gebaut und mit zwei neben dem Gleis, aber innerhalb des Stahlfachwerks, gelegenen Fußgängerstegen ausgestattet, erlaubt diese Brücke eine Raumbreite von 5,40 m. In der abgebildeten Form entsteht eine überdachte Nutzfläche von 241,9 qm, wovon der Küchen- und Speiseraum 73 qm, das Schlafzimmer 36,5 qm, das Wohnzimmer 58,5 qm und das Badezimmer 18 qm ausmachen. Die beiden seitlich abgespannten Balkone erreichen je 17 qm Fläche. Zur Nutzfläche gehören außerdem ein Heizungs- und Technikraum sowie eine Garage.